Das Gesicht tief in wolligen Schal vergraben und lustlos die Hundeleine schwingend machten sich Julia und ihr Labrador Sammi auf zur allabendlichen letzten Hunderunde, wie Julia sie immer nannte. Sammi war das gleichgültig. Er trabte neben ihr her, hob hier und da das Bein, schnüffelte an den zahlreichen Laternenmasten und verschwand gelegentlich im tiefen Gebüsch.
Es hatte bereits schon vor Stunden angefangen zu schneien und noch immer fielen dicke Flocken lautlos vom Himmel. Julia konnte sie auf den Wimpern spüren und auf den Lippen schmecken. Sie liebte es wenn diese riesige Stadt abends etwas zur Ruhe kam und sich der Nachthimmel orange über Hamburg ausbreitete. Dort drüben war er besonders hell, da lag der Flughafen und auf der anderen Seite war es etwas dunkler, dort befand sich der Parkfriedhof, Ohlsdorf. Julia und Sammi gingen immer den gleichen Weg, die Alsterdorfer ein Stück runter, dann durch den Park der kleinen Synagoge und an der Alster wieder zurück bis zur Brücke an der Sengelmannstrasse. Von dort aus gelangte sie wieder auf die Alsterdorfer wo sie und Sammi wohnten. Der Weg durch den Park der Synagoge fand Julia immer ziemlich unheimlich, dort gab es viele dunkle Ecken. Deshalb pfiff sie Sammi nun ganz nah zu sich heran und beschleunigte den Schritt, erleichtert ließ sie ihn dann an der Alster wieder los, wo er meist sofort in den Büschen verschwand. Einmal, im Sommer, da hörte sie sogar wie es plötzlich platschte, ob Sammi absichtlich ins Wasser gesprungen war weiß sie bis heute nicht. Dieser verrückte Kerl, sie lächelte.
Plötzlich blieb Julia stehen, da war jemand auf der Brücke. Bestimmt wieder der Mann, dem sie hier in letzter Zeit schon öfters begegnet war, aber einen Hund hatte Julia nie bei ihm gesehen. Was machte er denn da und wo war eigentlich Sammi? Verdammt, jetzt wurde es Julia mulmig. Zum Glück brannte in dem Haus da vorn noch Licht, das gab ihr etwas Sicherheit. Sie pfiff leise nach Sammi. Der Mann schien unruhig zu sein, als ob er wartete oder vielleicht war ihm einfach nur kalt. Wenn Sammi da ist, dachte sie, dann geh ich einfach vorbei und fertig. Sie pfiff wieder, diesmal etwa lauter. Und da raschelte es zwischen den verschneiten Büschen, Sammi trug stolz einen riesigen Stock im Maul und wedelt freudig mit dem Schwanz. Gott sei Dank. Sie gingen gemeinsam weiter.
Doch die Brücke war nun allerdings leer, der Mann verschwunden. Erleichtert atmete sie auf, nun konnten sie über die Brücke und schnell nach Hause gehen. Als Julia an der Stelle ankam, wo der Mann gestanden hatte blieb sie jedoch plötzlich stehen. Im frischen Schnee lag eine feuerrote Rose und auf der kleinen Karte las Julia. "Verehrtes Fräulein mit dem schwarzen Hund, wenn sie dies lesen, war ich wieder zu feige Sie anzusprechen. Ich wünsche Ihnen einen traumhaften Valentinstag. Ihr A.M."