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Samstag, 17. Februar 2024

Ein Märchen zum Wochenende

Der Bäcker auf dem Glockenturm zu Mora

Es war einmal ein Bäcker in Mora, der Rune Thorvaldsson hieß, ein durch und durch schlechter Mensch war und von Lug und Betrug lebte. Er verhöhnte andere Menschen, kannte in seinem Leben weder Buße noch Reue. Selbst Ostern, wenn seine Kunden nach Ostergebäck fragten und schöne, pastellfarbene Gebäcke erwarteten, fing er an, heidnische Gebäcke in Runenform zu backen sowie kleine Hexen, die auf dem Besen zum Blåkulla ritten. Weihnachten lief die Sache bei ihm ähnlich ab. Da buk er Symbole und Runen, die mit Odins wilder Jagd während der Raunächte zusammenhingen. Die Erwachsenen seiner Kunden kauften ihm diese Gebäcke nicht ab und so verschenkte er sie an nichtsahnende Kinder. Aber damit war es nicht genug. Wenn es nur einfaches Gebäck gewesen wäre, das war es aber bei weitem nicht. In den Nächten weihte er sein Gebäck den alten Göttern und teilweise dem Leibhaftigen, bevor er es an die Kinder verschenkte. Als er nun starb, wollte man seine Seele deshalb nicht im Himmel haben und so schickte man sie zurück auf die Erde. Er merkte aber nicht, dass er gestorben war und kehrte so in sein altes Haus zurück. Anders als bei den Geistern, die des Nachts und um Mitternacht spukten, spukte er dagegen um die Mittagszeit, da es zu seinen Lebzeiten auch so war, dass er in den frühen Morgenstunden arbeitete und tagsüber schlief.

In den frühen Morgenstunden buk er als Geist steinhartes Brot und Gebäck, mit dem er die Einwohner aus einer Dachluke seines Hauses bewarf, wenn sie vorüber eilten. Seinen Nachfolger in der Backstube schlug er permanent mit dem Brotschieber oder versuchte, ihn in den Ofen zu schieben, wenn der es wagte, in den Backofen bei offener Ofenklappe zu blicken. Die ganze Lage wurde langsam für alle, in seiner ehemaligen Backstube und auch für die Nachbarn um sein Haus, unerträglich.

So beschloss man Abhilfe zu schaffen und sah sich nach einem Pastor um, der einer Austreibung mächtig war. Als man endlich einen gefunden hatte, der dazu in der Lage war, kam dieser auch schnell, noch vor dem Weihnachtsfest, angereist.

Der ehemalige Wohnraum von Rune Thorvaldsson über der Backstube und auch die Backstube selbst wurden zunächst geweiht. Der Pastor begann alsbald die entsprechenden Gebete zu sprechen, um ihn von dort zu vertreiben. Das gelang ihm auch zunächst. Rune musste wohl oder übel seine Wohnung und Spukstätte verlassen. Der Pastor vergaß aber, den Bannspruch zu sprechen. Keinen Tag später war Rune wieder in seiner alten Wohnung und spukte schlimmer als je zuvor, zumal es gerade die Nächte vor den Rauhnächten waren und die alten Götter wieder mächtiger wurden. Jetzt wurde er unverschämter als zuvor, da er ja wusste, wie man ihn als Geist aus seiner alten Wohnung austreiben konnte.

Der Pastor wurde erneut gerufen, nur jetzt war Rune schlauer und ließ sich nicht so einfach vertreiben. Den Austreibungen wich er aus, indem er von einer Ecke in die andere Zimmerecke flüchtete, als der Pastor damit begann. Schließlich entwich er durch den Fensterspalt, um zur Tür wieder hereinzukommen. Kurzum, es sah so aus, als ob der Pastor keinen Erfolg haben würde. Der musste zu einer List greifen und stärkere Beschwörungen sowie Gebete anwenden. Er dichtete jetzt vor der erneuten Austreibung zuvor alle Spalten, Fensterspalten ab, die die Wohnung aufwies, selbst die Ofenrohre wurden verschlossen. Lediglich das Schlüsselloch an der Wohnungstür wurde offengelassen, davor stand aber der bestellte Schmied, der kräftig genug war, den Geist des Bäckers festhalten zu können, wenn der entwich und randalierend um sich schlagen sollte.

So begann der Pastor erneut mit der Austreibung. Der Geist des Bäckers wurde wütend und fing an, den Pastor mit Gegenständen aus seiner Wohnung zu bewerfen, konnte den Raum aber nicht verlassen, da selbst die kleinste Fuge abgedichtet war. Danach versuchte er es durch den Ofen und polterte lange im Ofenrohr herum, aber es gab einfach keinen Ausweg für ihn. Zuletzt versuchte er es durch das Schlüsselloch seiner Wohnung. Hier stand aber der Schmied davor, der zudem eine leere Tonflasche mit der Öffnung zum Schlüsselloch hielt. Hier fuhr der Geist des Bäckers hinein. Ehe er sich versah, hatte der Schmied die Flasche verkorkt, der Pastor hatte einen Bann über die Wohnung und auch über den Korken der Flasche gesprochen. Damit saß der Geist in der Flasche fest und konnte auch nicht mehr in die Wohnung zurück.

Als es später Nachmittag wurde, wollte der Pastor noch seinen Amtskollegen in Mora besuchen, ihm vom Erfolg seiner Austreibung berichten und mit ihm den abendlichen Gottesdienst feiern. Da er die Flasche mitnahm, sie aber mit dem unreinen Geist nicht mit in die Kirche nehmen konnte und wollte, stellte er sie auf den Stufen des Glockenturmes von Mora ab, wobei der Glockenturm ein eigenes und freistehendes Gebäude war.

Hier freute sich der Glöckner über die scheinbar schöne Flasche Bier, die ihm der Pastor wohl mitgebracht und scheinbar auf die Stufen gestellt hatte: „Gerade richtig, so ein Trunk nach dem Läuten“, dachte der noch, als er den Aufstieg in seinen Turm begann. Als die Glocken nach dem Läuten gerade ausklangen, dachte der Pastor auf einmal wieder an seine Flasche und auch daran, dass er dem Glöckner ja gar nicht Bescheid gesagt hatte. Aber da war es schon zu spät. Er lief gerade aus der Kirche, stracks auf den Turm zu, als er einen lauten Knall hörte. Der Glöckner hatte nichtsahnend die Flasche geöffnet und der Geist des Bäckers hatte sie so schnell verlassen, dass sie mit einem Schlag zerbarst. Als er jetzt zum Turm blickte, sah er den Geist des Bäckers frech auf einer Glocke des Turms sitzen und Grimassen schneiden. Das einzige, was der Pastor jetzt noch unternehmen konnte, war es, den Geist auf den Turm zu bannen. Befreien konnte er den Turm vom Geist nicht mehr, da man einen Glockenturm mit all seinen Öffnung nicht abdichten kann. So kann es auch heute noch passieren, dass die Glocken vom Turm von Mora erklingen, wenn sie gar kein Mensch geläutet hat oder vom Turm auch ein schallendes Gelächter zu hören ist, um andere Menschen zu verhöhnen. Das passiert natürlich, wir kennen Rune Thorvaldsson ja, besonders wenn die Menschen die Gottesdienste zu Weihnachten oder zu Ostern besuchen wollen. Viele der Bewohner wissen um den Spuk vom Turm und blicken erst gar nicht hinauf, wenn sie dieses Gelächter hören und bestrafen Rune so, indem sie über ihn hinweg hören. Einen Vorteil hat es jedoch schon. Rune kann vom Turm aus niemanden mehr mit hartem Brot und Gebäck bewerfen, er wird auf dem Turm auch sonst nicht so viele Gegenstände finden, die er als Wurfgeschoss verwenden kann. So sitzt er bis heute auf dem Turm gefangen und überlegt, wie und mit welcher List er in seine Backstube zurückkehren kann.

Quelle: Larissa Tjärnväg - Märchen aus Schweden 

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