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Montag, 28. Februar 2011

Der Gedanke ....

Der Gedanke schwebte über die Erde und suchte einen Platz, um auszuruhen. Er ließ sich auf einer Blüte nieder. Doch sie schwankte nur im Winde und überschüttete ihn mit Blütenstaub. So verließ er sie. Er fand eine Ameise. Doch sie hielt plötzlich inne. So wie sie vorher unermüdlich gesammelt und geschleppt hatte, so verfiel sie in ein endloses Grübeln, rührte sich nicht mehr und verhungerte.


Der Gedanke flog weiter und fand ein Wesen, welches auf dem Boden hockte und lustlos Dinge anstieß, aufhob und sie wieder fallen ließ. "Nimm mich auf!" sagte der Gedanke. "Als Belohnung werde ich dir die Lust schenken, die Freude und den Genuss." So zog der Gedanke in das Wesen ein und nannte es Mensch. Der Mensch sah sich um, und alles, was er fand und tat, bereitete ihm Lust. Er freute sich an den Blumen. Er genoss den Anblick der Wolken. Er liebte es, umherzugehen und innezuhalten. Er aß mit Freude und trank das Wasser mit Lust. Doch er genoss es auch, die Blumen zu zertrampeln, das Wasser zu verschmutzen und die Tiere zu fangen und zu quälen.

Da gebot ihm der Gedanke Einhalt: "Ich werde dir den Zweifel geben, damit du bereit bist, über alles, was du tust und über alles, was du lässt, dir Rechenschaft abzulegen." Doch bald saß der Mensch wieder auf dem Boden, zerrissen zwischen dem, was er tun wollte, und der Furcht davor, etwas zu zerstören, ängstlich bemüht, alles zu vermeiden, was er nicht ausführlich bedacht und vorhergesehen hatte. "Das ist nicht gut", sagte der Gedanke. "Als ich dich traf, warst du lustlos und ohne Ziel. Doch jetzt weißt du, was Lust ist, und versagst sie dir aus Angst, dein Ziel zu verfehlen. So will ich dir die Hoffnung geben, die dich aus der erstarrten Umklammerung von Lust und Zweifel befreien soll!"

Und so richtete sich der Mensch wieder auf, sammelte und baute, plante und schuf sich eine Welt, von der er hoffte, dass sie ihm zur Lust gereichen werde. Er sammelte Blumensamen, säte und hoffte, sich an ihrem Duft und ihrer Schönheit zu laben, er ersann Speisen und Spiele.

Doch er konnte die Zeit nicht vergessen, wo er nur Lust empfand, wo alles, was er tat, ihm Freude bereitete, wo er die Welt genoss, ungetrübt und nicht angenagt von Zweifel. Die Hoffnung schwand, dass es, so sehr er sich auch mühte, je wieder so sein würde. Der Zweifel drohte, die Hoffnung wieder zu ersticken, und der Mensch schien immer mehr in Trübsal zu versinken. Jedes Misslingen schien ihm ein Zeichen, jeder Schmerz brannte sich ihm in die Seele und jedes Scheitern ließ ihn verzweifeln. Die Hoffnung erkrankte und verwandelte sich in Sehnsucht. Da schaute ihn der Gedanke ein letztes Mal an und sagte: "Ich werde dir eine letzte Gabe schenken. Du sollst vergessen können, damit die Hoffnung nicht stirbt und die Freude ungetrübt sein kann."

Und der Mensch vergaß den Gedanken.

Unbekannt

Samstag, 26. Februar 2011

Ein langer Weg ....

Ganz vorsichtig schaut sie hinaus. Es ist kalt und laut, am liebsten möchte sie wieder zurück, dahin wo es so warm war und so leise. Aber nun gibt es kein Zurück mehr, was sie angefangen hat, muß sie auch zu Ende bringen, außerdem kann das nicht alles sein, sagt sie sich. Sie braucht all ihre Kraft und sie meint es nicht mehr zu schaffen, da fällt ein Sonnenstrahl auf sie.

Sie spürt die Wärme und das Licht und ruht sich aus, um neue Kraft zu tanken, neue Energie. Sie fühlt die Wärme und denkt, daß es noch viel mehr davon geben muß, von der Wärme. Die Aussicht auf noch mehr dieser wohltuenden Strahlen gibt ihr Kraft und sie kämpft weiter und weiter. Bis sie glaubt, keine Kraft mehr zu haben. Dann schläft sie erschöpft ein. Sie wird geweckt durch das Sonnenlicht und sie denkt: "Was kann es Schöneres geben, als vom Sonnenlicht geweckt zu werden?" Mit neuer Kraft versucht sie es weiter, Stück für Stück.

 Manchmal verharrt sie in ihrer Bewegung, um den Wind zu riechen und die Wärme, sie zu spüren. Ihre Bewegungen sind so winzig, daß kaum jemand sie bemerkt, nur wenn man genau hinsieht ,kann man es sehen, wie sie sich Stück für Stück bewegt, um dem Sonnenlicht noch näher zu sein, um noch mehr von der Wärme zu spüren. Es ist ein langer Kampf, aber irgendwann, sie kann nicht sagen, nach wie vielen Stunden oder Tagen, hat sie es geschafft.

 Sie fühlt das Sonnenlicht überall, an ihrem ganzen Körper. "Die Wärme und das Licht sind so wunder schön", denkt sie, und sie ist so müde, daß sie trotz der Wärme und des Lichts einschläft, denn sie hat ihre Aufgabe noch nicht erfüllt, die Anstrengungen sind noch nicht vorbei. Sie wacht auf und kann nicht sagen, wie lange sie geschlafen hat, aber die Sonne und der Wind sind immer noch oder wieder da, das weiß sie nicht.

Sie fühlt sich dem letzten Abschnitt gewachsen, fühlt, daß sie genug Kraft dafür hat. Und langsam, ganz langsam schiebt sich aus dem grünen Stengel die weiße Blüte des Schneeglöckchens heraus.

Sarah Seelbach

Meine Schneeglöckchen
 

Montag, 14. Februar 2011

Nachtspaziergang ....

Das Gesicht tief in wolligen Schal vergraben und lustlos die Hundeleine schwingend machten sich Julia und ihr Labrador Sammi auf zur allabendlichen letzten Hunderunde, wie Julia sie immer nannte. Sammi war das gleichgültig. Er trabte neben ihr her, hob hier und da das Bein, schnüffelte an den zahlreichen Laternenmasten und verschwand gelegentlich im tiefen Gebüsch.
 
Es hatte bereits schon vor Stunden angefangen zu schneien und noch immer fielen dicke Flocken lautlos vom Himmel. Julia konnte sie auf den Wimpern spüren und auf den Lippen schmecken. Sie liebte es wenn diese riesige Stadt abends etwas zur Ruhe kam und sich der Nachthimmel orange über Hamburg ausbreitete. Dort drüben war er besonders hell, da lag der Flughafen und auf der anderen Seite war es etwas dunkler, dort befand sich der Parkfriedhof, Ohlsdorf. Julia und Sammi gingen immer den gleichen Weg, die Alsterdorfer ein Stück runter, dann durch den Park der kleinen Synagoge und an der Alster wieder zurück bis zur Brücke an der Sengelmannstrasse. Von dort aus gelangte sie wieder auf die Alsterdorfer wo sie und Sammi wohnten. Der Weg durch den Park der Synagoge fand Julia immer ziemlich unheimlich, dort gab es viele dunkle Ecken. Deshalb pfiff sie Sammi nun ganz nah zu sich heran und beschleunigte den Schritt, erleichtert ließ sie ihn dann an der Alster wieder los, wo er meist sofort in den Büschen verschwand. Einmal, im Sommer, da hörte sie sogar wie es plötzlich platschte, ob Sammi absichtlich ins Wasser gesprungen war weiß sie bis heute nicht. Dieser verrückte Kerl, sie lächelte.
 
Plötzlich blieb Julia stehen, da war jemand auf der Brücke. Bestimmt wieder der Mann, dem sie hier in letzter Zeit schon öfters begegnet war, aber einen Hund hatte Julia nie bei ihm gesehen. Was machte er denn da und wo war eigentlich Sammi? Verdammt, jetzt wurde es Julia mulmig. Zum Glück brannte in dem Haus da vorn noch Licht, das gab ihr etwas Sicherheit. Sie pfiff leise nach Sammi. Der Mann schien unruhig zu sein, als ob er wartete oder vielleicht war ihm einfach nur kalt. Wenn Sammi da ist, dachte sie, dann geh ich einfach vorbei und fertig. Sie pfiff wieder, diesmal etwa lauter. Und da raschelte es zwischen den verschneiten Büschen, Sammi trug stolz einen riesigen Stock im Maul und wedelt freudig mit dem Schwanz. Gott sei Dank. Sie gingen gemeinsam weiter. 

Doch die Brücke war nun allerdings leer, der Mann verschwunden. Erleichtert atmete sie auf, nun konnten sie über die Brücke und schnell nach Hause gehen. Als Julia an der Stelle ankam, wo der Mann gestanden hatte blieb sie jedoch plötzlich stehen. Im frischen Schnee lag eine feuerrote Rose und auf der kleinen Karte las Julia. "Verehrtes Fräulein mit dem schwarzen Hund, wenn sie dies lesen, war ich wieder zu feige Sie anzusprechen. Ich wünsche Ihnen einen traumhaften Valentinstag. Ihr A.M."

© Jana Richter, *1973, Autorin & Malerin