Uruguay gilt als die „Schweiz Amerikas“, nicht nur wegen seiner Banken sondern vor allem wegen der direkten Demokratie, den Volksabstimmungen. Die repräsentative Demokratie steht für Korruption und Lobbyismus. Doch inzwischen müssen die Bürger zur Kenntnis nehmen, dass die Instrumente ihrer direkten Demokratie wirkungslos geworden sind. Auch in Montevideo scheren sich die Politiker, einmal gewählt, wenig um den Willen der Bürger und lassen sich ihre Politik von Anderen vorschreiben. Auch die linken Parteien – einst Hort von Rebellion und kollektiven Werten - spielen mit bei den Privatisierungen und setzen sich über die Ergebnisse der Volksabstimmungen einfach hinweg. Gewerkschaften und Umweltschutz-Gruppen stehen alleine auf weiter Flur.
Im vergangenen Jahr musste der Wassernotstand ausgerufen werden, denn die Stauseen waren leer. Offiziell hieß es, die Dürre und der Klimawandel seien der Grund. Dass private Staudamm-Besitzer das kostbare Nass gewinnbringend anderweitig verwendet hatten, war im Fernsehen selten zu hören. Aber Alle erinnerten sich daran, dass sie sich nicht nur in einem Referendum mit überwältigender Mehrheit gegen die Privatisierung des staatlichen Wasserwerkes ausgesprochen hatten. Nach einer weiteren Volksabstimmung wurde sogar das Menschenrecht auf Trinkwasser im Grundgesetz festgeschrieben.
Bei den nationalen Wahlen im kommenden Oktober wird über 5 Projekte abgestimmt werden – sofern die notwendigen Unterschriften (10 % der Wählerschaft) zusammenkommen.
1992 war das “Gesetz über die öffentlichen Betriebe” verabschiedet worden, die privatisiert werden sollten, darunter die staatliche Rentenkasse BPS sowie das Wasserwerk. Aber die Wähler waren partout nicht davon zu überzeugen, dass private Betreiber die Versorgung effizienter bewerkstelligen könnten. Noch im gleichen Jahr stimmten in einem Referendum fast 80 % dagegen dieses Gesetz. Eigentlich hätte damit das Thema vom Tisch sein sollen. Der Souverän hatte ja gesprochen. Doch die Regierung setzte sich darüber hinweg, und führte vier Jahre später die privaten Lebens-Versicherer ein, die AFAPs. Und im vergangenen Dezember trat ein weiteres Gesetz in Kraft, wonach diese privaten Versicherer für alle Berufsanfänger obligatorisch werden. Das wollen die Gewerkschaften mit einem Plebiszit zu Fall bringen; aber das linke Wahlbündnis Frente Amplio unterstützt sie nicht. Man hat sich hinter den Kulissen arrangiert.