Von Peter Haisenko
Wenn Sie die Zeitung aufschlagen, Radio hören oder die Nachrichten im Fernsehen genießen, fällt Ihnen dann auf, dass es nichts mehr zu besprechen gibt? Vor jeder Beweisaufnahme ist klar, wer der Täter und wer das Opfer ist, gerne auch beides in der Mehrzahl. Wenn es der Fall überhaupt in die Nachrichten schafft und der vermutete Täter kein Migrant ist.
Ansonsten üben sich die Medien schon seit Jahren in vagen Formulierungen wie „soll gewesen sein“ nach dem Motto, nichts Genaues weiß man nicht. Wer schuld ist, wird jedoch vorsorglich schon einmal festgelegt. Wer dann noch Rückfragen stellt, ist ein Ketzer und wird vom Monolog zum jeweiligen Thema ferngehalten. Basta, die Ansagen der Meinungsführer bleiben alternativlos. Seit einem halben Jahr berufen sie sich wieder auf die jahrzehntelang eingehämmerte Expansionslust der Sowjets und verweisen unreflektiert auf das von ihnen selbst in die Welt gesetzte Geschichtsbild. Die Russen waren schon immer die wilden Horden und ihre Nachbarvölker verwandeln sich in unseren Staatsmedien vom Saulus zum Paulus. Sie sind keine Nationalisten mehr, keine Antisemiten, keine Rassisten. Unsere Propaganda macht sie zu guten Menschen und ewigen Opfern.
Auch 2022 fühlen sich wieder alle von Russland bedroht. Vor allem Polen und Rumänien, die nach dem Ersten Weltkrieg selbst in Russland eingefallen waren, dort große Gebiete besetzt haben und danach miteinander verbündet waren, um noch tiefer in die inzwischen entstandene Sowjetunion einzufallen. Und natürlich fühlen sich jetzt auch die baltischen Republiken bedroht, die in den 1930er Jahren eine diplomatische Äquidistanz zu Moskau und Berlin einhielten, bis sie Vertreter von Hitlers Generalstab der Wehrmacht 1939 in ihre Länder ließen und militärische Befestigungsanlagen an der Grenze zu Russland errichteten. Den Kriegsvorbereitungen seiner Nachbarländer hat Stalin 1939-1940 einen Riegel vorgeschoben, indem er sie einkassiert hat.