Die drei Wunder der Welt
Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne. Als er alt und krank wurde, erklärten ihm die Ärzte, er könne nur genesen, wenn jemand ihm die drei Wunder der Welt herbeischaffe.
Der älteste Sohn sagte: »Vater, laß mich es versuchen.«
Und der Vater antwortete: »Nein, Sohn, das kann nicht sein. Du bist derjenige, der einmal die Krone erben wird.«
Der junge Mann gab aber so lange keine Ruhe, bis der Vater einwilligte und er sich auf die Suche begeben konnte. Als der älteste Sohn nach den drei Wundem der Welt ausschaute, kam er an einer Höhle vorbei, in der wohnten Diebe; die griffen sich ihn, zerrten ihn in die Höhle und hielten ihn dort gefangen.
Als nun der Älteste nach ziemlich langer Zeit noch nicht heimgekehrt war, sagte der Nächste: »Vater, mein Bruder kommt nicht zurück. Laßt mich ziehen und schauen, ob ich ihn finden und für Euch die drei Wunder der Welt mitbringen kann.«
Der Vater sagte: »Nein, mein Sohn, das kann nicht sein. Da dein Bruder nicht heimgekehrt ist, bist du derjenige, der einmal das Reich regieren wird.«
Aber der Mittlere bettelte so lange, bis der Vater auch ihm schließlich erlaubte, in die weite Welt zu ziehen.
Er sah sich hier und da um. Aber dann geschah mit ihm dasselbe wie mit dem Ältesten. Er kam zu eben dieser Höhle. Die Diebe griffen sich ihn und zerrten ihn hinein, und er traf seinen Bruder, den sie dort schon gefangenhielten.
So manches Jahr ging ins Land. Die beiden ältesten Prinzen waren immer noch nicht heimgekehrt, da trat der jüngste vor den Vater hin und sprach: »Vater, meine beiden Brüder sind verschollen. Erlaubt mir, daß ich nach ihnen suche und schaue, ob ich nicht für Euch die drei Wunder der Welt finde.«
»Unmöglich«, antwortete ihm der Vater. »Jetzt, da du es bist, der die Krone erben wird, lasse ich dich nicht in die weite Welt ziehen.«
Der jüngste bat und bettelte. Er sagte, König könne er immer noch werden, wenn seine Brüder nicht heimkämen und der Vater an seiner Krankheit sterben werde. Für einen angehenden König sei es gewiß von Nutzen, wenn er zuvor viel von der Welt gesehen habe.
Dagegen ließ sich schwer etwas einwenden, und also ließ der Vater am Ende auch den Jüngsten ziehen.
Er wanderte lange, ehe er eine Höhle erreichte, das war die Höhle der Luft. Eine alte Frau kam heraus. Das war die Mutter der Luft, und sie sprach zu ihm: »Sag mir, wer hat dich diesen Weg geschickt?«
Er antwortete: »Ich bin auf der Suche nach den drei Wundern der Welt.«
Und die alte Frau rief: »Sohn, da kommt der, welcher die drei Wunder der Welt sucht, um seinen Vater zu heilen.«
Und die Luft sprach: »Ich kann ihm dabei nicht helfen. E soll weiter ziehen. Nur mein Bruder, der Sonnenmann, dessen Strahlen überall hinreichen, kann so etwas wissen. Er soll meinem Bruder, dem Sonnenmann, sagen, ich hätte ihn geschickt, und er möge ihm doch bitte helfen, die drei Wunder der Welt zu finden.«
Am nächsten Tag brach der junge zur Höhle der Sonne auf.
Nachdem er viele Tage und Nächte gelaufen war, erreichte er diesen Ort und bat um ein Nachtquartier. Da kam wieder eine alte Frau heraus und sprach zu ihm: »Wer hat dich diesen Weg geschickt?«
Und er antwortete. »Ich bin ausgezogen, um die drei Wunder der Welt zu finden und um meinen Vater wieder gesund zu machen. Und bei der Luft war ich schon. Dort hieß es, der Sonnenmann solle mir den Weg weisen.«
Da hieß ihn die alte Frau, sich in einer Kiste verbergen, und sprach zu ihm: »Bleib da drinnen, denn sonst würde mein Sohn, der Sonnenmann, dich versengen.«
Dann kam der Sonnenmann und sprach: »Es riecht nach Menschenfleisch. Wo ist der Fremdling, damit ich ihn verbrennen kann?«
»Sohn«, sagte die alte Frau, »er ist ein armer junge, der die drei Wunder der Welt sucht. Er ist von deinem Bruder, der Luft, hergeschickt worden ist. «
Darauf erwiderte der Sonnenmann: »Dann soll er hervorkommen, denn ich kann ihm auch nicht helfen. Den Weg zu den drei Wundern der Welt kann ihm nur meine Schwester weisen. Er soll weiterziehen und ihr sagen, daß ich ihn geschickt habe.«
Am nächsten Tag brach der junge zur Suche nach der Höhle der Mondfrau auf. Er reiste durch viele Königreiche, ohne daß er zu ihr gelangte, aber schließlich kam er nach vielen Tagen und den Nächten, die dazu gehören, doch an der Höhle der Mondfrau an.
Eine alte Frau trat heraus und sagte: »Nenn mir jene, die dich hierher geschickt haben?«
Er sagte: »Ich bin gekommen, um die drei Wunder der Welt zu suchen, die meinen Vater heilen können.«
Da sprach die alte Frau: »Gut, aber versteck dich dort in der Ecke, denn wenn meine Tochter, die Mondfrau, kommt und dich hier findet, würde sie dich verschlingen.«
Die Mondfrau kam leuchtend über den Himmel und rief: »Hier riecht es nach Menschenfleisch. Wo ist das Menschenkind? Ich will es verschlingen.«
Die alte Frau aber sprach: »Nicht doch, Tochter. Es ist doch nur ein armer junge, den dein Bruder, die Sonne, geschickt hat.«
Und die Mondfrau sagte: »Wenn das so ist, wenn er nach den drei Wundern der Welt sucht, um seinen Vater zu heilen, dann soll er hervorkommen. Nur, mein Bruder, der König der Vögel, kann ihm verschaffen, wonach er sucht. Er zieht ständig durch die Welt. Der junge soll zu ihm gehen und ihm sagen, daß ich ihn geschickt habe.«
Also brach der junge am nächsten Tag wieder auf, er lief und lief, bis er zu der Höhle kam, in der der König der Vögel lebte.
Als eine alte Frau heraustrat, sprach sie: »Sage mir, wer dich geschickt hat?«
Darauf er: » Die Mondfrau schickt mich. Ich komme, um nach den drei Wundern der Welt zu suchen, damit will ich meinen Vater heilen, der schon lange schwer krank ist.«
Und die alte Frau antwortete ihm: »Stell dich dort in die Ecke, denn wenn mein Sohn, der König der Vögel, heimkommt und dich hier findet, wird er dich zum Abendessen fressen.«
Der König der Vögel kam und rief gleich: »Hier riecht es nach Menschenfleisch. Wo steckt das Menschenkind? Ich will es zum Abendessen verspeisen.«
»Nicht doch, Sohn«, sagte die alte Frau, »es ist doch nur ein armer Junge, den uns deine Schwester, die Mondfrau, geschickt hat, weil er nach den drei Wundern der Welt sucht.«
»Dann soll er wieder gehen, denn ich kann sie ihm auch nicht verschaffen«, sagte der König der Vögel, »dererlei wissen nur meine Untertanen, die überall herumkommen.«
Dann gingen sie alle schlafen.
Am nächsten Tag, sehr zeitig, wurde der Junge geweckt, und der König der Vögel sagte: »Ich werde jetzt ein paar Vögel von jeder Art rufen. Du stelle dich mitten unter sie und frage sie, wo du die Wunder der Welt finden kannst. Du mußt zu ihnen sagen: >Ihr kleinen Vögel, die ihr auf der Welt überall hinkommt, könnt ihr mir bitte sagen, wo die drei Wunder der Welt zu finden sind?< Wenn du das dreimal gesagt hast, und sie antworten nicht darauf, dann wissen sie es auch nicht.«
Alle Vögel, die der König gerufen hatte, kamen. Der Junge stellte sich unter sie und fragte dann dreimal: »Ihr Vögel, die ihr überall hinfliegt, sagt mir, wißt ihr, wo ich die drei Wunder der Welt finden kann?«
Keiner der Vögel antwortete, denn sie wußten es nicht. Der lahmende Adler war noch nicht da. Als er endlich eintraf, fragte ihn der König der Vögel: »Kleiner Adler, warum hat es bei dir so lange gedauert?«
Und der Adler sprach: »Weil ich von den drei Wundern der Welt gefressen habe.«
Da sagte der König der Vögel zu dem Jungen: »Hier kommt endlich einer, der dir den Weg zu den drei Wundern der Welt weisen kann.«
Und er fragte den lahmenden Adler: »Traust du dir zu, diesen Jungen dorthin zu bringen, wo er die drei Wunder der Welt finden kann?«
Der Junge stieg auf den Rücken des Adlers, und auf der anderen Seite des Meeres setzte der Vogel den Jungen auf den Weg zu einem Schloß ab und sprach zu ihm: »In diesem Schloß wirst du die drei Wunder der Welt finden.«
Der Junge brach allein in Richtung auf das Schloß auf. Er wanderte dahin, bis er an ein kleines Haus kam. Er klopfte an die Tür, eine Frau kam heraus und fragte, was er wolle. Als der Junge ihr sagte, er suche ein Nachtlager und sei im übrigen auf der Suche nach den drei Wundern der Welt, sagte ihm die Frau: »Eine gute Unterkunft findest du hier schon, aber die Sache hat einen Haken.«
»Und der wäre?«
»Vor drei Tagen ist mein Mann gestorben. Die Leiche liegt immer noch unter der Treppe. Ich habe nicht die fünf Duros, um die Beerdigung zu bezahlen.«
Da sagte der junge: »Hier hast du zweihundert Reales, das wird für ein ordentliches Begräbnis reichen.«
Also wurde der Mann begraben, der Junge kam zu einem Nachtlager, und am nächsten Tag schlug er den Weg zum Schloß ein.
Als er nun endlich am Schloßtor ankam, strich ein Fuchs heran und sagte zu ihm: »Schau in die große Halle. Dort findest du einen Vogel, einen Käfig, eine Frau und Kleider. In einem Stall etwas weiter entfernt steht ein Pferd. Nimm von all diesen Dingen nur eines.«
Der Junge betrat ganz glücklich die Halle und sah, daß der Fuchs ihn nicht getäuscht hatte. Er wollte den Vogel nehmen und den Käfig stehen lassen, da begann der Käfig zu sprechen und sagte zu ihm: »Was willst du mit einem Vogel ohne einen Käfig?«
Er rannte also mit Käfig und Vogel davon, doch ein Riese, der das Schloß bewachte, wurde auf ihn aufmerksam und rief: »Achtung und Alarm. Hier ist einer, der die drei Wunder der Welt stehlen will.«
Da kamen Soldaten, ergriffen den Jungen und warfen ihn in ein Verließ; sie schlugen ihn und trieben Löwen in den Raum, damit sie ihn auffressen. Als er nun dort saß, kam wieder der Fuchs und sprach: »Habe ich dir nicht gesagt, du solltest von den Dingen nur eines nehmen? Denke daran, ich kann dir nur dreimal helfen, dann aber nicht mehr.«
Er half ihm aus dem Kerker und sagte ihm, er solle diesmal unbedingt so verfahren, wie er es ihm geraten habe. Der Junge kam wieder zurück ins Schloß und wollte die Frau mitnehmen, die aber sagte: »Willst du mich ohne Kleider hier fortholen?«
Da griff er sich auch die Kleider, aber als er durch die Tür hinauswollte, stand da wieder der Riese und brüllte, wie er schon zuvor gebrüllt hatte: »Achtung und Alarm. jemand will uns die Wunder der Welt stehlen.«
Und wieder ergriffen die Wachen den Jungen. Sie verprügelten ihn, warfen ihn in den Kerker und trieben die Löwen herein. Wieder erschien das Füchslein und sagte: »Nun kann ich dir nur noch einmal helfen. Geh jetzt in, den Stall und nimm das Pferd, aber nicht den Sattel.«
Der Junge tat wie ihm geheißen, und der Sattel sprach: »Warum nimmst du das Pferd und läßt mich zurück?«
Er führte das Pferd ungesattelt hinaus, und draußen standen schon der Käfig mit dem Vogel und die Frau in ihren Kleidern. Und er ritt mit dem Pferd, der Frau und dem Vogel davon, und dies waren die Wunder der Welt.
Auf der Straße heimwärts traf er seine beiden Brüder. Als sie sahen, daß er die drei Wunder der Welt bei sich trug, nahmen sie sie ihm fort und ließen ihnen mutterseelenallein zurück. Sie gingen zu ihrem Vater, gaben ihm die drei Wunder, und er wurde geheilt. Der Vater fragte sie, ob sie etwas von ihrem jüngeren Bruder gehört hätten. Da erwiderten sie, nachdem, was ihnen zu Ohren gekommen sei, treibe er sich in der Welt herum, stehle und töte. Der Vater gab Befehl, ihn zu fangen und ihn heimzubringen, lebendig oder tot. Man fand ihn. Aber daheim wurde er gleich in den Kerker geworfen, und da die Brüder behaupteten, er sei ein Dieb und ein Mörder, sollte er gehängt werden. Da zeigte sich das Füchslein in der Gestalt eines Mannes und klärte den König darüber auf, wer tatsächlich die drei Wunder der Welt gefunden hatte.
Da erzählte der jüngste Sohn dem Vater, was er alles erlebt hatte, wie die beiden anderen Brüder ihn auf der Landstraße getroffen und ihm die drei Wunder fortgenommen hätten. Der Fuchs, der in Menschengestalt erschienen war, erklärte, er sei jener Tote, dessen Frau der jüngste Sohn das Geld für das Begräbnis gegeben habe. Da der Junge ihm geholfen habe, in der Erde seine Ruhe zu finden, sei er ihm in der Not auch zu Hilfe gekommen. Nun aber dürfe er nicht länger auf der Erde verweilen.
Kaum hatte er das gesagt, war er auf der Stelle verschwunden.
Der Vater sagte seinem Jüngsten, er werde seine beiden älteren Brüder enterben, denn es hatte sich ja erwiesen, daß sie böse waren und Lügner dazu. Und also bekam der Jüngste die Krone und das Reich. Die Frau, die er aus dem Zauberschloß mitgebracht hatte, heiratete er.
Sie wurden glücklich, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.
Quelle: Andalusische Märchen
Good Night Katharina
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Maximus