Wien, 1905. Marie König wird seit vier Jahren im "Salon Riehl" zur Prostitution gezwungen. Als sie an die Presse geht, löst sie einen Skandal aus, der die Doppelmoral der bürgerlichen Gesellschaft erschüttert. Junge Europäerinnen werden in Bordelle auf der ganzen Welt gebracht - zugleich formiert sich eine internationale Frauenbewegung, die den Menschenhandel stoppen will.
Die Wiener Arbeitertochter Marie König läuft im Frühjahr 1902 vor ihrem prügelnden Vater davon und wird von einer Agentin in ein Edelbordell gelockt. Statt des versprochenen selbstbestimmten Lebens „mit Fiakerfahrten und Seidenkleidern" erlebt sie verschlossene Türen, Gewalt und Ausbeutung. Erst nach qualvollen Jahren vertraut sich Marie dem Journalisten Emil Bader an, der die Zustände im Bordell öffentlich macht und die Betreiberin Regine Riehl vor Gericht bringt.
In packenden Spielszenen rekonstruiert Regisseur Stefan Ludwig das Drama um den Riehl-Prozess – mit einem hochkarätigen Ensemble um Maria Hofstätter, Markus Schleinzer und Alice Prosser. Der Riehl-Prozess im November 1906 wühlt die Öffentlichkeit auf, weit über Wien hinaus. Mit einer Mischung aus Voyeurismus und Mitleid nimmt das Publikum detaillierten Einblick in die Lebensumstände der „Freudenmädchen" und diskutiert hitzig die korrupte Rolle der Sittenpolizei.
Nicht nur in Wien boomt das Prostitutionsgeschäft um 1900: Junge Europäerinnen arbeiten damals, oft gegen ihren Willen, in Bordellen auf der ganzen Welt – vor allem in Ländern, die Ziel europäischer Auswanderung sind, wie Argentinien und Brasilien. In den Debatten der Zeit werden sie stereotyp entweder als Flittchen oder als Opfer betrachtet. Doch in den letzten Jahren wird ihre Perspektive differenziert aufgearbeitet. Die US-Historikerin Nancy Wingfield weist nach, dass die Frauen oft aufbegehrten und ihre Situation aktiv verbesserten – so wie im Salon Riehl.
Dokumentation, Regie: Stefan Ludwig (Österreich 2024, 53 Min)
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